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Uns fällt jetzt die jahrzehntelang verfehlte Politik auf die Füße

Sonja Rajsp-Lauer und Turid Pfautsch im Interview mit dem Schwarzwälder Boten zu den Protesten der Landwirte: Die beiden grünen Sprecherinnen möchten klarstellen: Weder die Ampel noch die Grünen sind an allem schuld. Es ist die jahrzehntelange verfehlte Politik der Vorgängerregierungen, die uns jetzt auf die Füße fällt.

 

Sonja Rajsp und Turid Pfautsch (v.l.) Foto: Moni Marcel

Wie stehen Sie dazu, die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge und die teilweise Rückerstattung von Steuern auf Agrar-Diesel aufzuheben?

 

Turid Pfautsch: Unsere Landwirtinnen und Landwirte leisten unglaublich viel: Sie liefern heimische Lebensmittel, sie leisten einen großen Beitrag zur Energiewende und sie pflegen unsere Landschaften. Das ist so viel wert, und das muss unterstützt werden. Wo viel Subventionen gezahlt werden, da kann auch viel gekürzt werden - das heißt aber nicht, dass das so auch richtig ist. Subventionskürzung macht vor allem Sinn, wenn man eine klimapositivere Alternative anbieten kann, und das ist beim Agrardiesel derzeit noch nicht wirklich der Fall.

 

Befürworten Sie die Protestmaßnahmen der Landwirte, also Straßenblockaden mit Traktoren?

 

Sonja Rajsp-Lauer: Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, natürlich unterstütze ich, wenn jemand demonstrieren will. Bedenklich finde ich, wenn das Thema Agrardiesel von anderen dafür genutzt wird, um allgemein Wut zu schüren. Zum Glück grenzen sich die Bauernverbände da sehr klar ab, darüber bin ich froh.

 

Wie sollte die Regierung Ihrer Meinung nach jetzt handeln?

Turid Pfautsch: Wir stecken in mehreren Krisen gleichzeitig, die wir meistern müssen. Der Bund muss sparen, das wissen wir alle, die Streichungen müssen gerecht verteilt sein. In Baden-Württemberg haben wir den Strategiedialog Landwirtschaft, das finde ich ein sehr gutes Instrument, um ausgewogene Entscheidungen im Bereich Agrar zu treffen. Und eins darf nicht passieren: dass man die eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere ausspielt. Diese Versuche, Wut zu schüren, bringen keinerlei Lösungen und machen Kompromisse schwer. Ohne Kompromisse geht es aber nicht, und die findet man nur im sachlichen Dialog.

 

Welche Vorschläge haben Sie?

Sonja Rajsp-Lauer: Ich könnte mir vorstellen, dass das komplette Subventionssystem im Agrarbereich geändert wird. Da muss man aber bei der EU anfangen, denn von da kommen die meisten Gelder. Und JA, ich hab selbst schon gepflügt, eingesät, geerntet und Erntedank gefeiert. Ich habe vor sechs Jahren die Solidarische Landwirtschaft Ackernative mitgegründet und der Landwirt, der für uns jede Woche 73 Kisten Gemüse produziert, hat seinen Hof in Fluorn-Winzeln und bekommt 53.000 Euro pro Jahr für seine Arbeit, egal wie groß die Ernte ist. Ich würde mir echt wünschen dass es mehr solche SoLaWis gibt. Das ist gut für den Landwirt ,weil er ein festes Einkommen hat, gut für die Mitglieder weil jede:r zahlt was man kann, und gut für die Gemeinschaft weil gemeinsam säen, ernten, festeln und vieles mehr. Grüne Ideologie ist es übrigens, die Natur zu erhalten, allein schon daher passen Landwirte und Grüne sehr gut zusammen.  Dazu wissen Sie sicherlich, dass das Landwirtschaftsministerium im Bund erst seit zwei Jahren in Grüner Hand ist. Und in Baden-Württemberg war's nur von 2011 bis 2016. Trotzdem sind die Grünen an allem schuld. Komisch...

 

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