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Teure Grundstücke auf der Spitalhöhe: "Völliger Schwachsinn!" - Beifall für Boris Palmer bei grüner Podiumsdiskussion zum Thema Wohnen

Fast wären Boris Palmer, Dita Leyh und Martina Braun zu spät zur Podiumsdiskussion der Grünen am Donnerstag gekommen, denn sie saßen im Zug, als die Bahnstrecke bei Epfendorf wegen eines verdächtigen Päckchens gesperrt wurde. Doch gerade rechtzeitig wurde die Strecke wieder frei, und so konnte die Veranstaltung zum Thema "Bezahlbares Wohnen im ländlichen Raum - Können wir uns in Zukunft noch das Wohnen leisten?" rechtzeitig beginnen.

 

v.l.: Hans-Peter Faisst, Norman Sailer, Alexander Schiem, Prof. Dita Leyh, Boris Palmer und Guido Speiser.

 

 

Der Saal des Alten Gymnasiums war fast überfüllt, als Moderatorin Prof. Dita Leyh, mehrfach ausgezeichnete Architektin und Stadtplanerin, in ihrem Impulsreferat die aktuellen Entwicklungen aufzeigte: Entgegen der Prognosen wachsen inzwischen auch kleine Orte, Wohnraum wird knapp und teuer. Sozialer Wohnbau wurde lange vernachlässigt, klamme Kommunen verkauften Gebäude und Grundstücke an Investoren, die teuren Wohnraum bauten. Bis 2030 könnte eine Million Wohnungen fehlen, hauptsächlich günstige. Das Dilemma: Bauen wird immer teurer, und der Flächenverbrauch wird mehr und mehr zum Problem. In Deutschland werden 100 Fußballfelder täglich werden zugebaut. Lösungsansätze, so die Professorin, wären Baugemeinschaften wie das französische Viertel in Tübingen, Gemeinschaftsprojekte, bei denen zu kleinen Wohnungen gemeinsame Party- oder Spielzimmer oder Terrassen kommen. Oder wie in der Stadt Wien, die 60 Prozent Sozialwohnungen hat. Für den ländlichen Raum brauche es andere Antworten als Einfamiliengebiete auf der grünen Wiese, beispielsweise den Umbau leerstehender Scheunen zu Wohnraum. "Aber das wird ganz schwierig, da gelangt man baurechtlich schnell an Grenzen."

 

Kritik an Rottweils Baupolitik hatte Norman Sailer von der Immobilienfirma Sailer und Sailer. Auf der Spitalhöhe irrsinnig teure Grundstücke auszuweisen, "das ist völliger Schwachsinn!" Klar gebe es dann auch Sozialwohnungen, aber insgesamt werde zu teurer gebaut. "Eigentumswohnungen sind viel zu teuer", so der Fachmann. Das bestätigte auch Guido Speiser vom Mieterverein. "Die Warteliste der Stadtbau ist um 25 Prozent gewachsen." Es gebe in Rottweil keinen preisgünstigen Wohnraum mehr, "die Stadt ist vor 20 Jahren aus dem sozialen Wohnbau ausgestiegen" und habe ein ganz klares Defizit. Auch im Umland seien die Preise gestiegen, "das ist ein großes Dilemma."

 

Hans-Peter Faisst von der AWO, langjähriger Leiter der Stadtbau Rottweil, forderte auf, bei der Ausweisung von Baugebieten auf eine gute Durchmischung zu achten, "da hat man in der Vergangenheit versagt." Faisst nannte Bindungsfristen für Sozialwohnungen von zehn Jahren "einen Witz". Er habe längere Fristen gefordert, doch der Rottweiler Rat habe sich einstimmig dagegen entschieden.
Hingegen geht Tübingen radikal vor, wie OB Boris Palmer erzählte. Baulandbesitzer werden gezwungen, innerhalb von vier Jahren zu bauen, sonst wird enteignet. Massives Staatsversagen bemängelte er, und: "die dürfen mich alles heißen, auch Marxist, das ist mir egal." Dafür gab es Beifall, und auch für den Tübinger Zwang, in jedem neuen Projekt 30 Prozent Sozialwohnungen zu bauen. Palmer wies auf die millionenschweren Fördergelder für Kommunen hin, die nicht abgerufen würden, und forderte ein Baugebot, das sei im Grundgesetz verankert, damit nicht passiere, was in Berlin gang und gäbe sei: Investoren warteten trotz Baugenehmigung, denn die Preise stiegen Jahr für Jahr.

 

Alexander Schiem, Leiter der Spittelmühle, betonte, dass ehemalige Obdachlose keine Wohnung mehr finden, Norman Sailer schlug vor, dass Kommunen als Mieter auftreten sollten und dann an solche Menschen untervermieten. Genug Baulücken gebe es überall, in Städten und ländlichen Kommunen, das stellte Palmer klar, da müsse mehr Druck gemacht werden, "aber das kann man mit der CDU niemals durchsetzen." Er stellte zudem klar, dass die Baupreistreiber nicht Fahrradständer oder Dachbegrünung seien, sondern der Zwang, genug Autostellplätze vorzuweisen. Auch das habe man in Tübingen geändert. "Dass die Handwerker billiger werden, dass könnt Ihr vergessen!" Ein spannender Abend mit etwas abrupten Ende, denn Palmer musste seinen Zug erreichen. Doch wurde danach in kleinen Runden bei Gebäck und Getränken eifrig weiter diskutiert.

Presseberichterstattung im Schwarzwälder Boten:

https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.rottweil-die-stadt-rottweil-muss-gas-geben.4cc8f96f-e134-416c-b281-fc168b857095.html

 

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