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Annette Reif im Talk mit Liedermacher Pius Jauch: "In den Ministerien nicht angekommen, dass man auch was essen muss"

Pius Jauch ist Liedermacher und gehört damit zu denen, die es in der Coronakrise besonders beutelt. Im Gespräch mit Annette Reif, der Bundestagskandidatin der Grünen, erzählte er im Begegnungsrestaurant Aladin&Frieda in Lauterbach, wie er sich über Wasser hält, aber auch über Dialekte und die Bedeutung von Kultur für die Gesellschaft.

Liedermacher Pius Jauch diskutierte im Aladin&Frieda in Lauterbach mit Annette Reif über die Sorgen und Hoffnungen der Kulturbranche. (Foto: Moni Marcel)


Gerade erst hat Pius Jauch für seinen Einsatz in Sachen Dialekt die Heimatmedaille des Landes Baden-Württemberg erhalten, doch eigentlich wollte er ja mal Rockmusiker werden. Als Zwölfjähriger. "Ich hab mir die Haare rot gefärbt und die Hose rabgezogen", und singen war natürlich nur in Englisch denkbar. "Wenn mer die Spache net versteht, hört sich alles gut an!"

 

Entsprechend dauerte es, bis er zum Schwäbischen als Sprache seiner Texte fand. Jauch stellte klar, dass er aus "Baisingen" stammt - im Schwäbischen gibt´s eben kein "ö", und der Ort heißt schließlich seit 500 Jahren so. "Wir Schwaben haben mehr Vokale als die Franzosen. Aber das ö ist halt nicht dabei." Auch das "ü" nicht, weshalb Annette Reif konstatierte: "Wir sind die Greana!"

 

Nach dem Abi landete Jauch in Italien, als Zimmermann. "Liedermacher isch halt koin Ausbildungsberuf", so schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Und galt als der deutsche General, nachdem er seine neu bezogene Renaissance-Wohnung erst einmal eine Nacht lang gründlich geputzt hatte.

 

Jauch erzählte vom Verein für Schwäbische Mundart, in deren Vorstand er sitzt. Autoren, Kabarettisten, Liedermacher und Historiker kümmern sich um den Erhalt des Schwäbischen, und als er selbst gefragt wurde, "schien es mit sinnvoll, ein Netzwerk aufzubauen." Ein paar Junge sollte er bringen, also baute er einen Schulwettbewerb auf. Und brachte die Sparte Film mit herein. "Wenn´s erfolgreich sein soll, muss mer sich dahinterklemmen", und das tut Jauch. "Sprache ist das Indiz für den Zustand der Gesellschaft,", des zwischenmenschlichen Austauschs. Ein starker Dialekt "ist sehr gut fürs Zusammengehörigkeitsgefühl und das Selbstbewusstsein."

 

Leicht ist das Leben als Liedermacher nicht, "der CD-Markt ist praktisch kaputt, und von Streaming kann man nicht leben." Die Überbrückungshilfen taten im Lockdown gut, halfen aber nur bedingt. "Es ist in den Ministerien nicht angekommen, dass man auch was essen muss." Also hieß es eben sparen - was dem Schwaben bekanntlich angeboren ist.

 

Annette Reif erzählte von den Plänen der Grünen, die Künstlersozialkasse zu stärken und nicht nur Künstlern eine Grundsicherung zu geben. "Das ist auf jeden Fall sinnvoll", so Jauch. "Als Künstler muss man gut sein und sein Äußerstes geben." Was halt nicht geht, wenn man einen Job braucht, um zu überleben.

 

Und Künstler braucht es: Als Provokateure, die den Diskurs offen halten, die nicht nur unterhalten, sondern auch hinterfragen und damit so wichtig für die Gesellschaft sind. In diesen Zeiten entscheide sich aber kaum noch ein junger Mensch dafür, als Künstler zu arbeiten. Und damit gehe eben viel Talent verloren. Und viel Kitt für die Gesellschaft.

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